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Für die
nomadisierenden Tuareg beginnt der Tag mit der Suche nach den Kamelen -
jeder Chamelier erkennt seine Kamele an den Spuren der Hufe im Sand. Nachdem
die Reittiere alle gesattelt sind, werden die Lastkamele beladen. Dabei ist
besonders wichtig, dass nichts verrutschen kann und das Gewicht gleichmäßig auf
dem Kamel verteilt wird, damit das Lasttier gut Balance halten kann und sich
nicht durch rutschende Last erschreckt oder scheut. Als letztes geht es um
die kostbarste Fracht - das Aufsteigen der Reiter, damit die Karawane ihre
Reise beginnen kann. So wie den Tuareg seit Jahrhunderten, erschließt sich auch
den europäischen Gästen, auf dem Rücken der Kamele, die Wüste. Weiche, lange Schritte geben den
Tagesablauf vor. Jahrhundertealter Einklang von Tier und Mensch. Das Maß von
Zeit bekommt eine neue Dimension. Man zieht durch Wadis und Sandebenen entlang
von Bergen. Fernab von jeglichem Zivilisationslärm kann man nun tagelang die
Einsamkeit der Wüste genießen und einen tieferen Einblick in das Leben "echter"
Nomaden gewinnen. Aufgrund erhöhter Sitzposition auf dem Sattel übersieht man die
abwechslungsreiche Landschaft bestens .
Die
bei den Tuareg üblichen Reitsättel für die Kamele gleichen kaum den in Europa
bekannten Reitsätteln für Pferde. Vor dem Höcker des Dromedars wird der Sattel
auf kleinen Satteldecken mittels eines Bauchgurts sicher festgezurrt. Die Sättel
bestehen aus mit Leder verkleidetem Holz und sind teilweise mit reicher
Ornamentik zu Kunstwerken geschmückt. Das Kreuzsymbol als Sattelknauf
soll vom Einfluss des seit der Römerzeit in Nordafrika verbreiteten Christentums
herrühren und zugleich seinen Reiter schützen. Mit einigen Decken aufgepolstert,
können wir auf diesen Sätteln wohl eher thronend denn sitzend den Ritt auf
unseren Kamelen genießen.
Die
hervorstechendste Eigenschaft der Kamele der Tuareg ist ihre auffällige Eleganz,
mit der sie sich deutlich von den Kamelen der arabischen Nomaden Nordafrikas
unterscheiden. Die Kamelzucht hat bei den Tuareg eine lange Tradition, da
bereits ihre altlibyschen Vorfahren Kamelzüchter waren. Da seit 1000 Jahren die
Austrocknung der Sahara so weit fortgeschritten ist, dass Pferde oder Ochsen als
Transportmittel nicht mehr in Frage kommen, wäre die Sahara ohne das
domestizierte Kamel seit mindestens 1000 Jahren eine menschenleere Wüste. Das
über 2000 Jahre lange enge Zusammenleben der Menschen mit den Kamelen hat die
Erfahrung beiderseits geprägt und ist Basis der Tierhaltung bei den Tuareg. Ein
jeder Hirte (ab 14 Jahren sind die männlichen Kinder der Nomaden für das Hüten
der Kamele verantwortlich) muss gewissenhaft lernen, darauf zu achten, ob die
Weide am Morgen feucht von Tau oder trocken ist, ob die Pflanzen "heiß" oder
"kühl" sind, welche Gräser und Kräuter "die Kamele fett machen" "oder nur den
Bauch füllen". Dementsprechend bekommen die Kamele Wasser oder eben in gar
keinem Fall Wasser, weil die Gefahr tödlich endender Blähungen besteht. Die
Tuareg kennen über 600 Pflanzen namentlich, davon sind 60 bis 80 Futterpflanzen,
deren Eigenschaften ein guter Kamelhirte genau kennt.
Ein
Kamel ist - aufgrund seines in hohem Maße an den extremen Lebensraum Sahara
angepassten Organismus - in der Lage, im Winter bis zu 4 Wochen ohne Wasser zu
überleben. Es kann in durstigem Zustand dann innerhalb von 15 Minuten bis zu 150
Liter Wasser trinken. Dieses Wasser wird aber nicht, wie oft vermutet, im Höcker
sondern in den drei Vormägen des Kamels gespeichert, von wo es in Durstperioden
langsam wieder abgegeben wird. Der Höcker dient als Fettdepot. Findet das Kamel
viel Futter, kann es sich eine Reserve für schlechtere Zeiten zulegen. In Zeiten
von extremer Hitze und Trockenheit können Kamele sogar "kontrolliertes Fieber"
bekommen. Sie lassen ihre Körpertemperatur auf 42 Grad Celsius ansteigen und
verhindern übermäßiges Schwitzen und damit einhergehenden weiteren
Wasserverlust.
Von allen
Haustieren vermehren sich Kamele am langsamsten. Eine Stute wirft mit sechs
Jahren ihr erstes Fohlen. Danach folgen die Geburten im Zweijahresrhythmus. Wie
bei Pferden werden auch bei Kamelen verschiedene Arten gezüchtet. Vom tauben und
fast blinden widerstandfähigen und disziplinierten Lasttier bis zum edlen,
eleganten weißen "Vollblut" (Mehari). Ein gut zugerittenes Mehari folgt beim
tende, dem Tanz der Kamele, zum Rhythmus der Trommeln und zum Gesang der
Frauen in engem Kreis um die Frauengruppe dem kleinsten Impuls seines Reiters.
Auch beim Kamelrennen geben die kastrierten Hengste schnell und wendig ihr
letztes.
Unsere
Chameliers sind auch Kamelzüchter und nicht nur Halter von Kamelen. Sie
verfügen über spezielle Kenntnisse über Vererbung und Paarungsverhalten und
wissen, dass eine erfolgreiche Zucht die gezielte Auswahl von Stuten und Bullen
erfordert. Die Zuchtziele der Tuareg sind aber durchaus verschieden. Bei den
Kel Adrar- Tuareg in Mali, bei denen die Milchproduktion im Vordergrund
steht, wird vor allem auf hohe Milchleistung hin gezüchtet. Die Kel Air-
Tuareg im Niger, für die der Karawanenhandel von entscheidender Bedeutung
ist, züchten robuste und ausdauernde Lasttiere. Die Kel Ahaggar- Tuareg aus
Algerien sind berühmt für die Zucht und Dressur hervorragender Reitkamele,
der Mehari. Nicht nur bei der Auswahl ihrer Reitkamele legen die Tuareg großen
Wert auf eine elegante Erscheinung, sondern auch beim Kauf der Kamelsättel.
Für die
Nomaden und auch für die inzwischen in den Städten lebenden Tuareg sind die
Kamele neben Mitteln der Fortbewegung und des Transports aber auch Symbole der
Sicherheit, Geldanlage und Altervorsorge. Sie fungieren als Symbol für
Männlichkeit und Eleganz. Träumt in Europa fast jeder Junge von einem schicken
Auto, so ist ein eigenes Kamel sicherlich der Traum vieler Tuaregjungen. Nicht
von ungefähr heißt es in einem Tuareg-Sprichwort auf die Frage: "Was braucht der
Krieger?" als Antwort: "Ein weißes Kamel, einen roten Sattel, seine Takuba
(Schwert der Tuareg) und ein höfisches Liebeslied".
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